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  • 2025

Weltseniorentag – Kulturelle Teilhabe von älteren Menschen

Kreativität kennt kein Alter und steht auch für Lebensqualität. kubia-Leiterin Almuth Fricke war im WDR-Magazin Westart zu Gast und berichtete anlässlich des Weltseniorentags am 1. Oktober über Kulturprojekte von und mit älteren Menschen.

Im Studio des Westdeutschen Rundfunks in Köln sprach Fricke mit Moderator Dominik Jozic darüber, wie Kulturangebote für ältere Menschen gestaltet  werden können, damit diese künstlerisch und kulturell aktiv mitwirken können. Sie erläuterte, dass kubia seit 2008 Fachkräfte aus Kultur und Kultureller Bildung dabei unterstützt, Projekte zu entwickeln und umzusetzen, welche älteren Menschen kreative Ausdrucksformen ermöglichen und soziale Teilhabe stärken. Dabei stehen insbesondere Menschen im Fokus, die bislang wenig Zugang zu Kulturangeboten haben – etwa aufgrund von finanziellen und gesundheitlichen Einschränkungen oder Berührungsängsten.

Dominik Jozic: Hier ist die Westart am Welt-Seniorentag. Weil wir ein Kulturmagazin sind, wollen wir an so einem Tag genauer darauf schauen, wie es um die Teilhabe älterer Menschen an Kulturangeboten steht. Wir sehen ältere Menschen zwar in großer Zahl in klassischen Einrichtungen der Hochkultur – in der Oper, im Theater, in der Philharmonie –, aber erstens können sich das nur diejenigen leisten, die nicht aufs Geld achten müssen, und zweitens ist das auch nichts zum Mitmachen, sondern nur zum Konsumieren, oder schöner gesagt: zum passiven Genießen. Über das andere spreche ich jetzt mit Almuth Fricke, die zu mir ins Studio gekommen ist. Sie ist die Gründerin und Leiterin von kubia, dem Kompetenzzentrum für kulturelle Bildung im Alter und inklusive Kultur in Köln. Herzlich willkommen, Frau Fricke.

Almut Fricke: Hallo, danke, dass ich hier sein darf.

Dominik Jozic: kubia fördert seit 2008 Kunst- und Kulturprojekte mit älteren Menschen. Wie ist damals die Idee entstanden, so eine zentrale Einrichtung zu schaffen, die vermittelt und mitentwickelt?

Almut Fricke: Die Idee ist entstanden, weil es schon 2005 erste große Kongresse im Kulturbereich zum Thema demografischer Wandel und Kultur gab. Da wurde gefragt: Was machen die Kultureinrichtungen, wenn plötzlich nur noch alte Menschen da sitzen oder irgendwann gar keine mehr? Wir kommen aus der Kulturellen Bildung und hatten schon lange Projekte zur Seniorenkulturarbeit durchgeführt. Dann haben wir überlegt, wie man das strukturell stärken kann, damit auch Menschen Zugänge zu Kultur finden, die bisher noch gar nicht teilhaben. Natürlich richten wir uns auch an Menschen, die schon Kultur nutzen, aber genauso an diejenigen, die vielleicht aufgrund von wenig Geld, Bildung oder Erfahrung keinen Zugang haben.

Dominik Jozic: Es gibt ja manchmal auch einfach Berührungsängste.

Almut Fricke: Genau, da gibt es große Berührungsängste. Kulturelle Bildung wurde lange nur auf Kinder und Jugendliche bezogen. Wir haben dann so einen Turn gemacht und gesagt: Es müsste neben Kulturpädagogik auch eine Kulturgeragogik geben. In Geragogik steckt das, was wir aus Gerontologie und Erwachsenenbildung kennen.

Dominik Jozic: Soziale Teilhabe, das dürfte allen klar sein, ist ein wichtiger Faktor für Lebensqualität – und das gilt natürlich auch im Rentenalter, vielleicht sogar noch mehr, wenn die Arbeit nicht mehr den Alltag prägt. Welche Rolle kann Kultur da spielen?

Almut Fricke: Kultur kann neue Horizonte eröffnen. Es können neue Lern- und Lebenserfahrungen gemacht werden, man kann sich vernetzen, neue Menschen kennenlernen und Möglichkeitsräume finden, um Kreativität  und Selbstwirksamkeit zu erleben. Man kann etwas tun, wofür im Berufsleben keine Zeit war. Denn da war Bildung ja immer sehr berufsbezogen. Wenn man dann diese Freiräume hat, ist das einfach eine tolle Chance – und das merken wir auch. Zum Beispiel wollen an den Musikschulen viele Ältere mit Rentenbeginn ein Instrument zu lernen.

Dominik Jozic: Sie fördern auch Projekte, bei denen nicht ein Mensch alleine etwas lernt, sondern in einer größeren Gruppe – wie im Projekt „Boomer Beats“. Das konnten Sie in diesem Jahr realisieren. Erzählen Sie uns davon.

Almut Fricke: Wir vergeben jedes Jahr den Fonds „Kulturelle Bildung im Alter“. Da war gestern die Antragsfrist und es sind wieder 90 neue Anträge eingegangen. „Boomer Beats“ wird im laufenden Jahr gefördert. Das sind Menschen aus Köln, die sich – unter der Leitung von Andrea Bleikamp von Wehr 51 und Anna Marienfeld von Studio Trafique – überlegt haben, dass sie etwas tun wollen, damit Ältere sichtbarer und präsenter sind. Sie machen so eine Art Flashmobs und covern Songs, die eigentlich einer jungen Generation zugeschrieben werden, etwa „Ich muss gar nix“ von Großstadtgeflüster. Denn oft wird Älteren vorgeschrieben, was man alles muss und was man nicht mehr sein darf. Man hat eine bestimmte Rolle und Erwartungen zu erfüllen – und diese Altersbilder zu konterkarieren und neue Altersbilder zu entwerfen, die zeitgemäßer sind, das ist das Anliegen solcher Projekte.

Dominik Jozic: Das bricht also Grenzen auf, die man im Kopf hat. Auch bei anderen Projekten bestehen keine Grenzen: Es gibt ein Tanzprojekt mit Parkinson-Erkrankten. Das soll nicht nur Spaß machen, sondern sogar helfen.

Almut Fricke: Das therapeutische ist ein Nebeneffekt. Es geht erst einmal darum, dass die Menschen Freude haben und etwas finden, wo sie trotz Einschränkungen willkommen sind. Das ist auch ein wichtiger Schwerpunkt im nächsten Förderjahr: Da geht es um Kulturteilhabe mit Einschränkungen. Denn das ist ein Thema, das ja im Alter vermehrt aufkommt. Mit zeitgenössischem Tanz können zum Beispiel Bewegungsmuster aufgebrochen werden, die Menschen mit Parkinson schwerfallen, und neue gefunden werden.

Dominik Jozic: Sie haben gerade ein wichtiges Stichwort genannt: Einschränkungen. Inwiefern müssen diese bei den Projekten mitgedacht werden? Welche Bedingungen müssen diese Projekte, damit sie möglichst niedrigschwellig sind?

Almut Fricke: Kulturgeragogik bedeutet, sich an den Interessen und Bedürfnissen älterer Menschen zu orientieren, die Lernerfahrung von älteren Menschen aufzugreifen – und auch das, was sie in diesem Bildungsprozess noch machen und erreichen wollen. Deswegen sind Einschränkungen natürlich da zu berücksichtigt, wo sie auftreten. 55 Prozent der Menschen mit einer Behinderung in Deutschland sind älter als 60 Jahre. Das ist eine große Gruppe, nur wird das oft nicht als Behinderung gesehen, sondern einfach als „Altsein“.

Dominik Jozic: Genau, viele hören schlechter, sehen schlechter, können sich nicht mehr so gut bewegen – und all das muss berücksichtigt werden. Alle, die gerade zuhören, werden mir wahrscheinlich zustimmen, dass diese Projekte absolut sinnvoll erscheinen, dass da jeder Euro gut investiert ist. Wie sieht das denn das Land NRW? Gibt es ausreichend Fördermittel?

Almut Fricke: Es könnte immer mehr sein, aber wir sind zufrieden. kubia hat eine institutionelle Förderung. Wir können dadurch Kultureinrichtungen und Kulturakteure weiterbilden. Und wir verfügen jährlich über 100.000 Euro, um innovative Projekte anzustoßen. Zum Beispiel gibt es bei „Tanz & Parkinson“ jetzt vier Labore, das letzte vom 18. bis 20. November. Die Idee ist, dass es verstetigt wird, so dass man immer so ein Angebot hat, was in anderen europäischen Ländern schon gang und gäbe ist.

Dominik Jozic: Dann wünsche ich Ihnen alles Gute für die weitere Arbeit. Almuth Fricke war mein Gast hier in der Westart. Sie ist Gründerin und Leiterin von kubia, dem Kompetenzzentrum für Kulturelle Bildung im Alter und inklusive Kultur. Danke für den Besuch.

Weiterstöbern in Veröffentlichungen:

Das Cover der Publikation „KULTUR-IMPULSE. Anregungen für niedrigschwellige Kultur-Aktivitäten mit Menschen mit Demenz.“ zeigt eine künstlerische Darstellung von Vögeln über einem blauen Meer mit Wellen zu sehen. Rechts liegt ein schwammartiger Gegenstand. Links unten ist das Logo „Netzwerk Demenz & Kulturelle Teilhabe NRW“ zu sehen.
  • 2024

Kultur-Impulse – Anregungen für niedrigschwellige Kultur-Aktivitäten mit Menschen mit Demenz

Die Handreichung enthält Vorschläge für kulturelle Aktivitäten, die sich mit Menschen mit Demenz sowohl zu Hause als auch in Gruppen ohne umfangreiche Vorbereitungen oder Materialbeschaffung umsetzen lassen. Die Ideen stammen von Akteur*innen aus dem Netzwerk Demenz und Kulturelle Teilhabe NRW.

Das Cover der PflegeZeitschrift 7/2025 zeigt einen Pinsel beim Malen in Nahaufnahme.
  • Beitrag
  • 2025

Kulturteilhabe im Alter stärken: Weiterbildung Kulturgeragogik

In der PflegeZeitschrift, Ausgabe 7/2025, stellt Almuth Fricke die Kulturgeragogik als wissenschaftliche Disziplin und praxisnahe interdisziplinäre Weiterbildung für Kulturschaffende und Tätige in Altenhilfe und Pflege vor.

Das Titelbild der Zeitschrift Heimat Westfalen, Ausgabe 2/2025, zeigt vier ältere Menschen in fantasievollen Kostümen auf einer Bühne. Der Text lautet: „Kreativität kennt kein Alter – kulturelle Teilhabe erwünscht“.
  • Beitrag
  • 2025

Kein Nice-to-have: Kulturelle Teilhabe im Alter ermöglichen

Ausgabe 2/2025 der Zeitschrift „Heimat Westfalen“ des Westfälischen Heimatbundes widmet sich dem Themenschwerpunkt „Kreativität kennt kein Alter – kulturelle Teilhabe erwünscht“. kubia-Leiterin Almuth Fricke erläutert in einem einleitenden Beitrag, wie sich die Potentiale Älterer sichtbar machen und durch Kulturelle Bildung stärken lassen.

Das Titelbild auf dem Publikationscover zeigt eine Gruppe älterer Menschen in einem hellen Raum, die gemeinsam eine Frau in die Höhe heben, während alle die Arme freudig nach oben strecken. Oben rechts befindet sich das Logo des Netzwerks „Demenz & Kulturelle Teilhabe NRW“. Ein grüner Kreis in der Bildmitte enthält den Text: „So kann Kooperation gelingen!“. Darunter steht in blauer Schrift: „Gemeinsam für kulturelle Teilhabe im Alter! Ein Leitfaden zur gelingenden Kooperation von Altenhilfe und Kulturgeragogik.“ Am unteren Rand sind Logos der Organisationen „kubia“, „Fachverband Kunst und Kulturgeragogik“ sowie „Regionalbüros Alter, Pflege und Demenz“ zu sehen, die von der Landesregierung NRW und Pflegekassen gefördert werden.
  • Arbeitshilfe
  • 2025

So kann Kooperation gelingen – Gemeinsam für kulturelle Teilhabe im Alter! Leitfaden zur gelingenden Kooperation von Altenhilfe und Kulturgeragogik

Damit ältere Menschen und Menschen mit Pflegebedürftigkeit besser an Kultur teilhaben können, ist Zusammenarbeit unerlässlich. Der neue Leitfaden „So können Kooperationen gelingen!“ bietet wertvolle Orientierung, konkrete Handlungsempfehlungen und praxisnahe Impulse, um durch Kooperationen Kultur für alle älteren Menschen zugänglich zu machen.

Das Titelseite der Zeitschrift rheinform zeigt zwei Hände, die Zettel halten, auf denen handschriftlich „Diversität“ und „Museum“ steht.
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  • 2024

Vielf(alt)ig! Altersdiversität im Museum

Unter den Diversitätsdimensionen, die im Fokus des gesellschaftlichen Diskurses stehen, spielt das Alter eine eher marginale Rolle. Damit Museen zu Begegnungsorten für unterschiedliche Generationen werden können, gilt es, stereotype Altersbilder abzubauen, schreibt Almuth Fricke in der Zeitschrift rheinform.

Cover des Buches „Lebenslagen und Gemeinwohl“ in einer schlichten Gestaltung mit rechteckigen gelben, schwarzen und weißen Farbflächen.
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  • 2024

Lernprozesse mit tödlichem Ausgang – Alexander Kluges Erzählung ‚Der unentschiedene Philologe‘ als kulturgeragogisch-literarische Intervention im gerontologischen Diskurs der 1970er Jahre

Miriam Haller analysiert Alexander Kluges Erzählung „Der unentschiedene Philologe“ als kulturgeragogisch-literarische Intervention im gerontologischen Diskurs der 1970er Jahre.

Cover der Publikation mit einer Grafik, die Hände zeigt, die ein gefaltetes Papier halten
  • Projektdokumentation
  • 2023

Ein Vorgehensmodell für barrierefreie Kultur – Erfahrungen und Empfehlungen aus dem Projekt Kultura bez Barier [Kultur ohne Barrieren] (2021– 2023)

Die Dokumentation stellt das Vorgehensmodell und die Erkenntnisse vor, die Kulturinstitutionen aus der Erprobung des Modells gewonnen haben.

Ein Bucheinband mit der pinken Aufschrift "Eine Party für alle"
  • Fachbuch
  • 2023

Eine Party für alle – Das kubia-Vorgehensmodell zur strukturierten Analyse, Planung und Umsetzung von Barrierefreiheit in Kunst und Kultur

Die Publikation stellt das kubia-Vorgehensmodell Barrierefreiheit vor. Es ist ein Instrument für Kultureinrichtungen und Kulturprojekte, um Maßnahmen zur Barrierefreiheit schrittweise und strukturiert zu entwickeln, zu planen und umzusetzen.

Cover des Bandes Musikalische Bildung im Alter mit Foto einer Gruppe von Menschen, die Instrumente spielen
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  • 2023

Resonante Transformationen – Kulturelle Bildung im Alter

Miriam Haller hat für das Handbuch Musikalische Bildung im Alter hat einen Beitrag verfasst, der die aktuelle Debatte über Transformation und Kulturelle Bildung um kulturgeragogische Perspektiven erweitert.

Cover des Themendossiers "Am äußersten Rand? Marginalisierte Akteur*innen in den darstellenden Künsten und Barrieren im Zugang zu sozialen Sicherungssystemen"
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  • 2023

Das Gegenteil von Inklusion. Arbeitsassistenz für Kulturakteur*innen und Künstler*innen mit Behinderung in sozialen Sicherungssystemen

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