Miteinander unterschiedlich – Generationenbegegnung in Kunst und Kultur
In dieser Ausgabe der Kulturräume+ geht es um den Dialog der Generationen und wie er durch Kulturelle Bildung gefördert werden kann.
Wie können mit Kultureller Bildung Begegnung und Austausch von Jung und Alt ermöglicht werden? Und wie können intergenerationelle Projekte so gestaltet werden, dass sie den unterschiedlichen Bedürfnissen der verschiedenen Altersgruppen gerecht werden und zugleich stereotype Generationenbilder aufbrechen? Darum ging es bei der 6. Fachtagung Kunst- und Kulturgeragogik am 14. November in Münster.
Maria Kröger von der Akademie Franz Hitze Haus, Almuth Fricke von kubia und Prof. Dr. Hans Hermann Wickel von der FH Münster begrüßten rund 80 Teilnehmer*innen, die ins Franz Hitze Haus nach Münster gekommen waren, um sich über die besonderen Potenziale, aber auch Herausforderungen des intergenerationellen Arbeitens in der Kulturellen Bildung zu informieren und auszutauschen. Teilgenommen haben u. a. zahlreiche Musik-, Kunst- und Kulturgeragogig*innen.
In den drei aus dem Fonds Kulturelle Bildung im Alter geförderten Projekten kommen sowohl Praktiken von „Doing“ als auch von „Undoing Generations“ zum Teil gleichzeitig zum Tragen und sind miteinander verwoben. Oft regen dabei Ambivalenzen dazu an, polarisierende Generationendifferenzen und -bilder künstlerisch in Frage zu stellen. Ambivalenzen erscheinen somit nicht als Hindernis, sondern als Impuls für Bildungsprozesse. Miriam Hallers Fazit lautet deshalb: „Nur Mut und keine Angst vor Generationenambivalenzen! In und mit den Künsten – und das ist ein besonderes Potenzial kulturgeragogischer Arbeit – können wir zur Aufführung bringen, wie soziale Generationenunterscheidungen gemacht werden, anders gemacht oder auch – nicht gemacht werden können.“
Julia Franz erforscht zusammen mit ihren Kolleginnen Claudia Kühn und Annette Scheunpflug im Rahmen des Forschungsprojekts „Tradierung – Vergewisserung – Doing Identity“ an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg empirisch, wie im ländlichen Raum Kultur, Tradition und kulturelles Wissen von Generation zu Generation weitergegeben werden. Dabei zeigt sich, dass die unidirektionale Wissensvermittlung von den Älteren zu den Jüngeren („Weitergabe als Einbahnstraße“) nicht immer so funktioniert, wie sich es sich gerade die Älteren wünschen würden. Besser gelingen Praxen, bei denen im gemeinsamen Tun Wissen und Traditionen nicht nur weitergegeben, sondern gemeinsam zukunftsfest weiterentwickelt werden(„Kreisverkehre“). Hier lernen nicht nur die Jüngeren von den Älteren, sondern alle Beteiligten voneinander. Damit solche Prozesse in Gang kommen, ist ein großes gemeinsames Interesse, z. B. an der Musik, entscheidend.
Abschließend formulierte Julia Franz Anregungen für die Kulturarbeit im ländlichen Raum: Sie rät dazu, die Angehörigen der verschiedenen Generationen zu Reflexionsprozessen zusammenführen und informelle Eigenlogiken sowie Motivation und Interessen der Beteiligten offen anzusprechen und zu reflektieren. In einem solchen Austausch könnten strukturelle und demografische Veränderungen ebenso konstruktiv diskutiert werden wie die Veränderung von regionalen Engagement-Strukturen.
Am Beispiel ihres mehrjährigen intergenerationellen Projekts „Der empathische Körper“ gaben anschließend die Choreografin Silke Z. und die Mitglieder ihres Ensembles „Die Metabolisten“ Hanna Held und Daniela Riebesam einen Einblick in die Praxis. Empathie, Sprache und unser alltäglicher Umgang mit Körper-Empfindungen stehen im Zentrum ihres Projekts, bei dem professionelle Tänzer*innen und Laien jeden Alters gemeinsam aktiv werden. In tänzerischen Forschungslabore werden Fragen zu den Themen Abstand, Nähe, Empathie, Alter(n) und Diversität verhandelt. Jedes Labor endete mit einer öffentlichen Aufführung der Laborergebnisse.
Im Gespräch mit dem Publikum ging es unter anderem um die Frage, wie tänzerisches Arbeiten so gestaltet werden kann, dass Menschen mit unterschiedlichen körperlichen Voraussetzungen und unterschiedlichen Alters mitmachen und sich einbringen können. Am Nachmittag hatten die Tagungsbesucher*innen die Möglichkeit die tanzpädagogische Herangehensweise von Silke Z. und ihren Kolleginnen in einem Praxis-Workshop selbst zu erleben und auszuprobieren.
In anderen Workshops konnten sie weitere gelungene Praxis-Projekte und Ansätze der intergenerationellen Kulturellen Bildung kennenlernen und praktisch erfahren. So demonstrierte Stephanie Sonnenschein anschaulich, wie im Rahmen des Projekts „Unisono“ der Kinderoper Köln sowohl Kindergartenkinder als auch Menschen mit Demenz für die Oper begeistert werden konnten. Sogar unter Corona-Bedingungen ist es gelungen, mit der Hilfe von multimedialen Kreativ-Grüßen beide Gruppen, die sich nicht persönlich treffen durften, miteinander in den Austausch zu bringen – auch wenn diese Vorgehensweise die persönliche Begegnung, wie sie inzwischen zum Glück wieder möglich ist, natürlich nicht ersetzen konnte.
Von Generationen-Begegnungen im theaterpädagogischen Rahmen berichtete Sarah Modeß vom Theaterkollektiv „sowas in der art“. Ausgangspunkt des intergenerationellen Austauschs ist die interaktive Inszenierung „Sag mir erst, wie alt du bist!“, die in einem Wohnmobil stattfindet. Angeregt von der Figur Imelda, die selbst nicht altert, und zahlreichen Objekten und O-Töne, kommen die Besucher*innen aus verschiedenen Generationen ins Gespräch übers Älterwerden.
Die Musikgeragogin Gisela Nögel öffnete ihren Methoden-Werkzeugkasten für intergenerationelle Gesangsangebote und bot die Möglichkeit, diesen mit Gesang und Instrumenten zu erproben.
Mehr über Miriam Hallers und Julia Franz‘ Forschung sowie über die auf der Fachtagung vorgestellten Praxisprojekte Arbeit kann im kubia-Magazin Kulturräume+ Nr. 23 nachgelesen werden: