
Lieblingsstücke – Dingbeziehungen und Kulturelle Bildung im Alter
Ursula Pietsch-Lindt und Miriam Haller erkunden im Austausch mit älteren Menschen die Beziehung zu ihren Lieblingsstücken.
© Rolf Muck | Die Un_Ruheständler 2023
Dieser Leitfaden bietet wertvolle Orientierung, konkrete Handlungsempfehlungen und praxisnahe Impulse, um Kultur für alle älteren Menschen zugänglich zu machen.
Kooperationen sind eine großartige Chance für das Entstehen von kulturellen Projekten, die unterschiedliche Disziplinen einbeziehen und ältere Menschen aktiv einbinden. Sie fördern die Teilhabe von Menschen, die oft nicht von allein Zugang zu kulturellen Angeboten finden. Doch sie bringen auch Herausforderungen mit sich, für die es lösungsorientierte Ansätze geben muss.
Dieser Leitfaden ist ein gemeinsames Ergebnis mehrerer Institutionen, die sich für die kulturelle Teilhabe älterer Menschen engagieren. Das Kompetenzzentrum für Kulturelle Bildung im Alter und inklusive Kultur (kubia), das Kuratorium Deutsche Altershilfe (KDA e. V.) und das Projekt „Regionalbüros Alter, Pflege und Demenz NRW“ – eine Initiative der Landesregierung und der Pflegeversicherungsträger in NRW – koordinieren gemeinsam seit Jahren das Netzwerk Demenz & Kulturelle Teilhabe NRW. Als weiterer Kooperationspartner brachte der Fachverband Kunst- und Kulturgeragogik e. V. seine Expertise ein: In den vier Regionalgruppen des Fachverbands wurden Positionspapiere zu diesem Thema erstellt, die maßgeblich in den Leitfaden eingeflossen sind.
In einem gemeinsamen Workshop, der auf der 7. Fachtagung Kunst- und Kulturgeragogik im November 2024 zum Thema „Kooperativ! Qualitäten von multiprofessioneller Zusammenarbeit in der Kunst- und Kulturgeragogik“ in der Akademie Franz Hitze Haus in Münster stattfand, wurden die Positionen und Ideen weiterentwickelt und konkretisiert. Die Ergebnisse wurden in vier zentrale Ziele und Maßnahmenbereiche gebündelt, um die Qualität und Reichweite der multiprofessionellen Zusammenarbeit in der Kulturgeragogik zu stärken.
Ganz schön viele Akteure! Warum hat dieser gemeinsame Denkprozess funktioniert?
Ein gemeinsamer Gedanke verbindet alle Beteiligten: die Begeisterung für die Zusammenarbeit zwischen stationärer Altenhilfe, sozialer Senior:innen-Arbeit und Akteuren der Kulturgeragogik, um die kulturelle Teilhabe älterer Menschen weiter zu fördern und zu entwickeln.
Der demografische Wandel und die wachsende Diversität der alternden Bevölkerung erfordern vielseitige und zugängliche kulturelle Angebote für ältere Menschen. Gleichzeitig führen aber strukturelle Hürden wie Fachkräftemangel und wirtschaftliche Belastungen, mangelnde Mobilität und Isolation dazu, dass viele Senior:innen, insbesondere in Pflegeeinrichtungen oder in ländlichen Gebieten, kaum Zugang zu Kulturangeboten haben. Die Kooperation zwischen Kulturgeragog:innen und Institutionen der Altenhilfe ist daher entscheidend, um eine umfassende Teilhabe für alle älteren Menschen zu ermöglichen.
Doch an der Schnittstelle zwischen Kunst, Kultur und Altenhilfe treten spezifische Herausforderungen auf, die eine erfolgreiche Zusammenarbeit erschweren:
Diese Hürden machen deutlich, dass eine strukturierte und kommunikative Zusammenarbeit notwendig ist, um die Potenziale der Kulturgeragogik und Altenhilfe für ältere Menschen zu nutzen.
Gemeinsame Ziele zu formulieren und Maßnahmen zu beschreiben ist sinnvoll, weil sie Orientierung und Struktur für die Zusammenarbeit bieten und den Erfolg von Projekten messbar machen. Maßnahmen konkretisieren diese Ziele und bieten einen praktischen Weg, sie umzusetzen. So wird aus einer Idee ein umsetzbarer Plan, der gezielte Schritte vorgibt, Ressourcen optimal einsetzt und die Zusammenarbeit effizient und zielgerichtet gestaltet.
Dies sind einige der identifizierten Ziele und praktischen Maßnahmen, die als erste Schritte zu verbesserten Kooperationen dienen können:
These: Ein gemeinsames Verständnis für die vielfältigen Bedürfnisse und Lebensrealitäten älterer Menschen lässt Kooperationen zur Förderung der kulturellen Teilhabe besser gelingen. Dies schafft eine solide Basis für partnerschaftliche Zusammenarbeit, bei der Angebote gezielt auf die Zielgruppe zugeschnitten sind und alle Beteiligten – von Kulturgeragog:innen bis hin zu Pflegeeinrichtungen – an einem Strang ziehen, um kulturelle Teilhabe umfassend und barrierefrei zu ermöglichen.
Maßnahmen zur Förderung der kulturellen Teilhabe aller älteren Menschen zielen darauf ab, den Zugang zu Kulturangeboten barrierefrei und bedarfsgerecht zu gestalten. Dies bedeutet, die heterogene Gruppe der Senior:innen in ihrer Vielfalt wahrzunehmen und Angebote zu entwickeln, die sowohl die Potenziale als auch die Bedarfe und Einschränkungen älterer Menschen berücksichtigen.
Die zentralen Maßnahmen sind:
These: Wenn die kulturgeragogische Rolle und Expertise gestärkt wird, gelingt die Kooperation besser, weil klare Strukturen und einheitliche Standards die Position von Kulturgeragog:innen als anerkannte Fachkräfte festigen. Durch die Verankerung der Kulturgeragogik in der Pflegeausbildung und die Klärung von Rollen und Erwartungen entsteht eine gemeinsame Basis, die Missverständnisse reduziert und eine professionelle, zielgerichtete Zusammenarbeit ermöglicht.
Um Kulturgeragog:innen als Expert:innen im Feld der Altenhilfe zu etablieren, bedarf es klarer Strukturen und Unterstützung in der Professionalisierung.
Folgende Maßnahmen wurden identifiziert:
These: Durch eine starke Vernetzung und politische Integration wird die Kooperation verbessert, weil die Kulturgeragogik als etablierter und wertvoller Bestandteil der Altenhilfe wahrgenommen wird. Das Bewusstsein für kulturelle Teilhabe als Grundrecht älterer Menschen wächst. Durch den Austausch mit Medien und relevanten Netzwerken wird die Kulturelle Bildung im Alter nachhaltig gefördert und in der Gesellschaft verankert.
Eine starke Vernetzung und das Eintreten für das Recht auf kulturelle Teilhabe für ältere Menschen fördern eine nachhaltige Verankerung der Kulturgeragogik in der Altenhilfe und der öffentlichen Wahrnehmung.
Folgende Maßnahmen stehen hier im Vordergrund:
These: Durch regelmäßige Evaluation und gezielte Weiterentwicklung gelingt die Kooperation besser, weil strukturierte Rückmeldungen und standardisierte Bewertungsmethoden die Qualität der kulturgeragogischen Angebote kontinuierlich sichern und verbessern. Der transparente Austausch der Ergebnisse stärkt das Vertrauen der Beteiligten, fördert die Unterstützung durch Entscheidungsträger:innen und ermöglicht eine zielgerichtete Anpassung der Programme an die Bedürfnisse älterer Menschen.
Regelmäßige Evaluationen sind unerlässlich, um die Wirksamkeit kulturgeragogischer Angebote zu messen und sie gezielt weiterzuentwickeln.
Die Maßnahmen hierfür umfassen:
Wie können Erfolgsfaktoren für Kooperationen praktisch umgesetzt werden? Hierzu zeigen konkrete Maßnahmen – abgeleitet aus den Zielen des Leitfadens –, wie diese Faktoren in der Praxis zu erfolgreichen Kooperationen beitragen.
Kooperationen vereinen verschiedene Fachrichtungen mit individuellen Qualitätsstandards und Zielvorstellungen, was kreative und ansprechende Angebote ermöglicht, aber auch klare Kommunikation erfordert.
Die partizipative Konzeptentwicklung wird eingesetzt, um Angebote zu gestalten, die den vielfältigen Bedürfnissen und Lebenslagen der älteren Zielgruppen entsprechen. In der Praxis bedeutet dies, dass Kulturgeragog:innen bei der Entwicklung von Programmen regelmäßig mit den Senior:innen selbst und den Pflegeeinrichtungen im Austausch stehen. So können durch Feedback und gemeinsames Planen kulturelle Angebote entstehen, die alle relevanten Altersgruppen und Lebenslagen einschließen und auf individuelle Bedarfe Rücksicht nehmen. Diese Vielfalt bereichert die Programme, stellt aber auch sicher, dass keine Gruppe übersehen wird und die Angebote ansprechend und vielfältig sind.
Ein Perspektivwechsel erleichtert es, stereotype Vorstellungen abzubauen und die Arbeit der anderen Akteure wertzuschätzen, was zur Basis erfolgreicher Kooperation wird.
Durch die Beteiligung an Regionalkonferenzen zu Alter und Pflege sowie in Demenz-Netzwerken lernen Kulturgeragog:innen die Strukturen und Bedürfnisse der Altenhilfe kennen und bauen gleichzeitig Verbindungen zu Expert:innen aus anderen Fachbereichen auf. Hierdurch gewinnen sie nicht nur Einblicke in die Arbeit der Pflege- und Altenhilfe, sondern tragen auch die Perspektiven der Kulturgeragogik in diese Kreise. Der gegenseitige Austausch über jeweils fachspezifische Sichtweisen führt zu einem tieferen Verständnis der Herausforderungen und Potenziale des anderen und ermöglicht so ein besseres gemeinsames Arbeiten und Planen.
Alle Akteure bringen ihre spezifische Expertise ein und ergänzen sich gegenseitig, wodurch ein gemeinsames Verständnis von Qualität entsteht, welches das aufeinander bezogene Handeln der Beteiligten im Projekt fördert.
Die Entwicklung standardisierter Evaluationen schafft eine Basis, auf der die verschiedenen Akteure ihre Fachkenntnisse vereinen und gemeinsame Qualitätsstandards entwickeln. Diese Evaluationsmethoden werden regelmäßig durchgeführt und dienen als Dialogbasis, in der Kulturgeragog:innen, Pflegepersonal und Teilnehmer:innen die Qualität und Wirkung der Angebote gemeinsam reflektieren. So wird eine partizipative Qualitätsentwicklung ermöglicht, die alle Perspektiven integriert und langfristig zu einer gemeinsamen Qualitätssicherung und Weiterentwicklung beiträgt.
Zeit, Raum, Kontaktpersonen
Kooperationen zwischen Kulturgeragog:innen und stationären Pflegeeinrichtungen gelten als besonders anspruchsvoll. Fehlt in der Einrichtung eine Person, die „der Kulturgeragog:in die Hand reicht“ und sie – sei es symbolisch durch eine Seitentür – in die Einrichtung einbindet, steht die Zusammenarbeit vor großen Herausforderungen. Ebenso spielen äußere Rahmenbedingungen eine zentrale Rolle: Ein passender Zeitpunkt im Tagesablauf, ein geeigneter Raum sowie die inhaltliche und methodische Stimmigkeit sind wesentliche Faktoren für eine erfolgreiche Kooperation. Nur so gelingt es, gemeinsam eine tragfähige Struktur zu schaffen.
Diese sieben guten Gründe können Sie sich ausschneiden und jederzeit zur Hand nehmen, wenn Sie die Vorteile kultureller Teilhabe erklären oder sich für Kooperationen einsetzen möchten.
Miriam Haller (2024): Vom anderen Stern: Qualitäten kooperativer Prozesse. In: Kulturräume+ – Das kubia-Magazin 27, S. 5–8.
Anne Edwards (2009): Relational Agency in Collaborations for the Wellbeing of Children and Young People. In: Journal for Children‘s Services 4 (1), S. 33–43.