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  • Fachdiskurs

Türen auf: Der Kulturarbeit mit Älteren Raum geben – Zur Arbeit von kubia, Kompetenzzentrum für Kultur und Bildung im Alter

von Magdalena Skorupa und Nina Selig

Dass der demografische Wandel nicht ohne Folgen für die Kultur bleibt, hat schon die Enquête-Kommission des Deutschen Bundestags zur „Kultur in Deutschland“ 2007 festgestellt. Das Land Nordrhein-Westfalen hat mit einem Förderschwerpunkt „Kultur und Alter“ darauf reagiert und die Einrichtung eines in Deutschland einzigartigen Kompetenzzentrums für Kulturelle Bildung m Alter ermöglicht.

Vielfältiges Altern „Das Alter wird bunter“, so hat der Altersforscher Leopold Rosenmayr einmal festgestellt. Dies trifft in mehrfacher Hinsicht zu: Die Bevölkerungsgruppe älterer Menschen differenziert sich durch ganz unterschiedliche Lebenssituationen und Lebensentwürfe sowie durch verschiedene kulturelle und religiöse Prägungen immer stärker aus. Die „jungen aktiven Alten“ der Babyboomer-Generation, die jetzt in den Ruhestand gehen, werden genauso unter dem Etikett der Älteren subsumiert wie sehr hochaltrige Menschen, die zum Teil hilfs- und pflegebedürftig sind. Auch zählen zunehmend Menschen aus anderen Kulturen, die seit über 50 Jahren nach Deutschland einwandern und hier geblieben sind, inzwischen zur älteren Generation. Der Umgang mit dieser Vielfalt ist eine Herausforderung für alle Teile der Gesellschaft. Vor allem, da der Bevölkerungsanteil der älteren Menschen weiterhin zunimmt.

Im Hinblick auf Kultur und Bildung wächst dementsprechend der Bedarf an qualitativ hochwertigen Angeboten, die die Lebenserfahrungen und -umstände älterer Menschen berücksichtigen und es ihnen ermöglichen, sich kulturell zu beteiligen. Denn die Auseinandersetzung mit Kunst und Kultur ist für viele ein Vehikel zu sozialer Teilhabe und höherer Lebensqualität. Kulturteilhabe bietet Älteren nicht nur Freude und Sinnstiftung durch künstlerisches Tun und kulturelles Engagement, sondern auch soziale Orientierung und Partizipation – wichtige Faktoren für ein positives und gelingendes Alter(n).

Räume für eine Kultur des Alter(n)

Für den Kulturbetrieb bedeutet die Auseinandersetzung mit dieser stetig wachsenden Zielgruppe, dass bestehende Angebote und Formate angepasst und ausgeweitet werden müssen, um sie für die große Nutzergruppe attraktiv zu machen, aber auch um Besucherrückgängen insgesamt entgegenzuwirken. Denn mit der Öffnung kultureller Institutionen für eine zeitgemäße Altenkulturarbeit entstehen zusätzlich neue Möglichkeiten der Publikumsentwicklung und der Zusammenarbeit, beispielsweise mit Akteuren aus der sozialen Altenarbeit. Die Einrichtungen benötigen dabei jedoch Hilfestellung in Form von Weiterbildung, Beratung, Vernetzung, Expertise, Wissensressourcen und Erfahrungstransfer aus schon erprobter Praxis.

Dieser Bedarf gab den Impuls zur Gründung einer Fachstelle, die beratend in Theorie und Praxis zum Thema „Kulturelle Bildung und Alter“ zur Verfügung steht. Auf Basis der langjährigen Erfahrung in den Arbeitsfeldern Kultur, Bildung und Alter, und unterstützt durch das Land Nordrhein- Westfalen, richtete das Remscheider Institut für Bildung und Kultur 2008 das Kompetenzzentrum für Kultur und Bildung im Alter – kurz: kubia – ein. Seither ist es zu einem Think Tank für jene Akteure avanciert, die Kultur und Bildung von und für ältere Menschen ermöglichen und fördern wollen. Das Angebot von kubia richtet sich an öffentliche Kultureinrichtungen und – verwaltungen, an Kulturpädagoginnen und -pädagogen, an Künstlerinnen und Künstler sowie an Tätige in der sozialen Altenarbeit und Pflege.

Aufgaben und Angebote

Die Aufgaben von kubia liegen in der Bündelung und Aufbereitung von Information, der Vernetzung, Beratung und Qualifizierung, Forschung und Projektdurchführung im Themenfeld „Kultur und Alter“ auf Landes-, Bundes- und Europaebene. Es unterstützt mit seinen Aktivitäten und seinem Service Kulturakteure und Einrichtungen in NRW bei der Entwicklung zukunftsgerechter Konzepte und innovativer Modelle angesichts des demografischen Wandels. Dies geschieht u. a. durch die Aufbereitung von Expertenwissen, durch Vernetzung, durch die Internetpräsenz (www.ibk-kubia.de) und im regelmäßig erscheinenden Newsletter, durch die Veranstaltung von Fortbildungen und Fachtagungen sowie durch Beratungsangebote. Mit empirischer Forschung zu Kulturinteressen und -nutzung Älterer und mit Publikationen zu Themen der Kulturellen Erwachsenenbildung bzw. Kulturgeragogik gibt kubia neue Impulse zur Weiterentwicklung innovativer Modelle in Politik und Praxis.

Ein wesentliches Anliegen von kubia ist die Professionalisierung der Kulturarbeit mit Älteren. Zu diesem Zweck wurden zwei Fortbildungsmöglichkeiten konzipiert. Die einjährige berufsbegleitende Weiterbildung „Kulturgeragogik – Kulturarbeit mit Älteren“, die gemeinsam vom Institut für Bildung und Kultur und der Fachhochschule Münster, Fachbereich Sozialwesen, entwickelt wurde, beschäftigt sich mit kulturellen Vermittlungs- und Aneignungsprozessen sowie mit Kultureller Bildung im Alter. Darüber hinaus vermittelt die Fortbildungsreihe „Kulturkompetenz 50+“ in ein- bis zweitägigen Workshops Wissen zu den besonderen Möglichkeiten und Grenzen der verschiedenen Kunstsparten bei der Arbeit mit Älteren und über altersspezifische kulturelle Interessen und Bedürfnisse. In dem halbjährlich erscheinenden Programm bietet ein erfahrenes Dozententeam wechselnde Seminare zur Kulturvermittlung in den verschiedenen Kunstsparten an, zu Engagement und Zusammenarbeit mit älteren Menschen, zu Möglichkeiten der Publikumsentwicklung und spezifischen Fragen des Kulturmanagements sowie zu Ansätzen von Kulturarbeit in der Altenhilfe und Pflege.

Themen und Aktivitäten

Die kulturelle Beteiligung von älteren Menschen, die aufgrund von Bildungsbarrieren kaum oder keinen Zugang zu Kultur haben, sowie von älteren Migrantinnen und Migranten, die wenig Berührung mit dem deutschen Kulturleben haben, und nicht zuletzt von Hochaltrigen mit Mobilitätseinschränkungen, sind ein wichtiger Arbeitsschwerpunkt.

Bei dem von kubia durchgeführten Gesangsprojekt „Polyphonie – Stimmen der kulturellen Vielfalt“ (Laufzeit 2007 bis 2010) wurden ältere Menschen mit Migrationshintergrund aus NRW eingeladen, ihr Gesangstalent in musikpädagogischen Angeboten weiterzuentwickeln und ihre kulturellen Schätze im Rahmen der Europäischen Kulturhauptstadt RUHR.2010 vor großem Publikum zu präsentieren. In der Begleitung und Evaluation des Projektes konnten vielerlei Erkenntnisse über die Kulturbeteiligung und -interessen dieser Bevölkerungsgruppe gewonnen und Erfahrungen in der methodisch-didaktischen Arbeit gesammelt werden.

Auch die „Kulturarbeit für Menschen mit Demenz „ ist ein Themenschwerpunkt, dem sich kubia widmet. Im Februar 2012 soll auf dem Fachtag „Kunststücke Demenz“ der Frage nachgegangen werden, wie kulturelle Angebote für Menschen mit Demenz aussehen könnten und wie mit Kunst und Kultur die Lebensqualität dieser Menschen und ihrer Angehörigen verbessert werden kann.

Mit dem „KulturQuartier x“ – deutschlandweit das erste Festival für Kreativität im Alter, das kubia modellhaft durchführt und begleitet – entstehen zahlreiche Möglichkeiten für Ältere, sich in und für Kultur zu engagieren und ihre Wünsche, Ideen und Erfahrungen einzubringen.

Durch die Übernahme der Koordination und Organisation der Seniorentheaterplattform NRW und mit dem Dramatikerinnenpreis „Reif für die Bühne“ engagiert sich kubia zudem in der Informations- und Vernetzungsarbeit der Seniorentheaterszene im Land.

Über Grenzen

Das Initiieren von intergenerationellen Begegnungen durch Kunst und Kultur ist ein weiterer wichtiger Baustein, der künftig auch in dem europäischen Projekt „mix@ges“ im Fokus stehen wird. Das Projekt zielt darauf ab, das kreative Potenzial neuer Medien zu nutzen, um den Dialog zwischen der jungen und der alten Generation anzuregen. Neben weiteren Institutionen aus Schottland, Österreich, Belgien und Slowenien ist kubia als Projektkoordinator an „mix@ges“ beteiligt. kubia stützt sich in seiner europäischen Zusammenarbeit auf die Erfahrungen als Koordinator des Europäischen Netzwerks für Kultur im Alter „age-culture.net“ und aus der Beteiligung an verschiedenen Projekten der Kulturellen Bildung, die von Programmen der Europäischen Union gefördert wurden. Seine Expertise zu internationalen Aktivitäten und zu europäischen Förderstrukturen stellt kubia Akteuren hierzulande zur Verfügung.

Die Arbeit des Kompetenzzentrums der vergangenen vier Jahre hat gezeigt, dass der Bedarf an Informationen, Beratung, Qualifizierung und Vernetzung im Themenfeld „Kultur und Alter“ hoch ist und stetig weiter wächst. Das bestärkt das kubia-Team darin, mit seinen Ideen weiterhin Türen und Räume für ein kreatives Altern zu öffnen.

Andrea Ehlert/Almuth Fricke/Maureen Marley (Hrsg.) (2010): The InCreaSeGuide. A Manual About Intercultural Creativity of Older People. Remscheid

Almuth Fricke/Sylvia Dow (Hrsg.) (2009): Cultural Participation and Creativity in Later Life. A European Manual. München

Almuth Fricke/Flavia Nebauer/Erika Wickel (2010): Das Beste der Musik steht nicht in den Noten. Erfahrungen aus dem Projekt »Polyphonie – Stimmen der kulturellen Vielfalt«. Remscheid

Almuth Fricke/Thorben Winter (Hrsg.) (2011): Kultur im demografischen Wandel. Impulse für die kommunale Kulturarbeit. München

Kim de Groote/Almuth Fricke (Hrsg.) (2010): Kulturkompetenz 50+. Praxiswissen für die Kultur arbeit mit Älteren. München

Kim de Groote/Flavia Nebauer (2008): Kulturelle Bildung im Alter. Eine Bestandsaufnahme kultureller Bildungsangebote für Ältere in Deutschland. München

Flavia Nebauer/Kim de Groote (2012): Auf Flügeln der Kunst. Ein Handbuch zur künstlerischkulturellen Praxis mit Menschen mit Demenz. München

Magdalena Skorupa, Studium der Pädagogik, Theaterwissenschaft und Kunstgeschichte und Nina Selig, Studium der Film- und Fernsehwissenschaft, Publizistik und Kommunikationswissenschaften sowie Politikwissenschaft, sind wissenschaftliche Mitarbeiterinnen von kubia.

Erschienen in: Kulturräume+ Das kubia-Magazin #1, 2011, S. 5-8.

Cover der Kulturräume+ 1/2011. Foto von Bettina Flitner. Ältere Dame in einem weißen Malerkittel mit Farbflecken und Pinseln in der Hand
  • Magazin
  • 2011

Kulturgeragogik – Lebenskunst im Alter

Sich kreative Räume im Alter zu erschließen, die unseren Geist wach halten und Anregungen geben, ist für viele ältere Menschen wichtiger Bestandteil einer sinnerfüllten Gestaltung des eigenen Älterwerdens und bedeutet einen Zugewinn an Lebensqualität. Wie diese Räume ausschauen und gestaltet werden können und was unbedingt hineingehört, ist Inhalt des neuen kubia-Magazins.

Weiterstöbern in Fachbeiträgen:

Eine Zeichnung eines Jungen, der von einem Vogelschwarm an Schnüren in die Luft gehoben wird.
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Vom anderen Stern? Qualitäten kooperativer Prozesse

Miriam Haller fragt danach, wie Kooperationen in der Kulturgeragogik gestaltet sein sollten, damit sich ein gemeinsames Verständnis von Qualität entwickeln kann.

Eine ältere Frau in einem bunten Kostüm, das der Kinderzeichnung eines Pinzessinnenkleids nachempfunden ist.
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Que(e)rungen von Alter und Geschlecht – Zur Entwicklung des geronto-feministischen Diskurses

Miriam Haller zeichnet die Verbindungslinien zwischen Alter und Geschlecht nach, die von Feminist*innen schon früh aufgegriffen wurden, und zeigt auf, wie Gender- und Queer-Theorien den Diskurs erweitert haben.

Eine ältere Frau macht mit dem Handy ein Foto von einer anderen Älteren. Eine Kulturvermittlerin gibt Tipps dazu.
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Altersfreundliche Kommunikation – Adressat*innen-Ansprache in der Kulturgeragogik

Worauf kommt es an, wenn ein Angebot der Kulturellen Bildung für Ältere bekannt gemacht werden soll?

Eine gepunktete weiße Linien auf orangefarbenem Hintergrund
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Eine Party für alle – Das kubia-Vorgehensmodell zur strukturierten Analyse, Planung und Umsetzung von Barrierefreiheit in Kunst und Kultur

Das Vorgehensmodell ist ein pragmatisches Instrument, um Barrierefreiheit angesichts der Vielzahl der Bedarfe und begrenzter Ressourcen im Kulturbetrieb strukturiert angehen, organisieren und steuern zu können.

Ein bunter Stern mit 12 Strahlen und einem weißen Zentrum. Im Zentrum steht „Kulturelle Bildung im Alter ist ...“. Die Strahlen sind im Uhrzeigersinn auf 12 Uhr beginnend beschriftet mit: „partizipativ, reflexiv, barrierearm, diversitätssensibel, ganzheitlich, prozessorientiert, interaktiv, innovativ, sichtbar, nachhaltig, kooperativ, qualifiziert“.
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Wann sagst du „Wow“? Qualitäten Kultureller Bildung im Alter

Miriam Haller hat einen Qualitätsstern mit zwölf Leitprinzipien für die Kulturelle Bildung im Alter entwickelt und stellt ihn im Sinne einer partizipativen Qualitätsentwicklung zur Diskussion.

Fachdiskurs
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Wie wir gendern: Geschlechtergerechte Sprache bei kubia

Gendergerecht und zugleich barrierearm zu schreiben, ist eigentlich nicht möglich. Wenn wir sowohl diversitätssensibel als auch einfach schreiben möchten, müssen wir Kompromisse eingehen.

Eine ältere Frau und ein älterer Mann stehen nebeneinander und machen tänzerische Bewegungen mit ihren Händen.
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Kulturelle Bildung im Alter

Dieser Grundlagen-Beitrag erläutert, was Kulturelle Bildung ist und warum sie auch im Alter wichtig ist.

Die Künstlerin Claire Cunningham tanzt auf Krücken
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Kunst, Ästhetik, Kulturpolitik und Behinderung – Der internationale Kreativfall Inklusion

Ben Evans leitet die Abteilung „Arts & Disability, European Union Region“ beim British Council. Er hat täglich mit Projekten zu tun, an denen die besten und innovativsten Künstler*innen mit Behinderung beteiligt sind.

Das Düsseldorfer Sockentheater spielt für Kinder beim Aktionstag Kultur & Alter 2014.
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Auch alte Hunde können neue Kunststücke erlernen – Eine Standortbestimmung zur Kulturgeragogik

Hans Hermann Wickel arbeitet heraus, was kulturelle Aktivität im Alter ausmacht, und wie die neue Disziplin Kulturgeragogik dazu beitragen kann, die kreativen und kulturellen Potenzialen des Alters zu nutzen.

Tanzworkshop mit Älteren beim Aktionstag Kultur & Alter 2014
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Bunte Vielfalt statt Monokultur – Rückblick auf zehn Jahre kubia

Nina Lauterbach-Dannenberg schaut auf zehn Jahre kubia und die Idee des Kompetenzzentrums, Vernetzung, Beratung, Information, Forschung und Qualifikation für die Kulturarbeit mit Älteren anzubieten.

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Porträtfoto von Almuth Fricke in einer gelben Bluse vor einem türkisfarbenen Hintergrund

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Porträt von Miriam Haller

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